Sonntag, 26. November 2006

"Kunstfonds" und "Kunstanleihen"

Es berichtete DIE ZEIT am 29.06.2006:

Mit Künstlern wie Jean-Michel Basquiat, Jasper Johns, Roy Lichtenstein, Andy Warhol, Anselm Kiefer, Martin Kippenberger und Gerhard Richter handelt die Hamburger Art Estate AG. Etwa 20 dieser »Blue Chips« will sie nach eigener Auskunft erworben haben – in zweistelliger Millionenhöhe. Nun ist die AG auf der Suche nach 500 bis 1000 Zeichnern für einen geschlossenen Kunstfonds. »Das ist eine fast risikolose Anlage«, sagt der Vorstand Bernd Salomon. »Ab 10000 Euro aufwärts kann man Anteile erwerben.«

In zwei Wochen will die Art Estate AG ihren Firmensitz in Hamburg beziehen. Auf 1000 Quadratmetern können die Zeichner des Fonds dann die Werke besichtigen, die ihnen in sieben bis zehn Jahren viel Rendite einbringen sollen. Lust auf die Investition soll eine rund 60-seitige Studie machen: Contemporary Art – eine Assetklasse zur Portfoliodiversifikation lautet ihr Titel, sie wurde von der Art Estate AG in Auftrag gegeben und vom F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformation erstellt. Ausgeschmückt wurde die Studie mit Künstlerporträts und Abbildungen von Werken, die jedoch nicht in allen Fällen von der Art Estate angekauft wurden. Weiter gibt es Kurven und Statistiken über die Preisentwicklung zeitgenössischer Kunst, Fotos und Zitate prominenter Kunstsammler und Berater. »Der gute Sammler sammelt mit den Augen, der schlechte mit den Ohren«, sagt dort Peter Raue, der Vorsitzende der Freunde der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Ob der »gute Sammler« auch mittels eines Kunstfonds sammelt, dazu sagt Raue nichts.

Der Verfasser der Studie, Eric Czotscher, sagt: »Je breiter man investiert, desto kleiner ist das Risiko.« Fünf bis zehn Prozent Kunst empfiehlt er für ein Portfolio. In den USA soll sich das für Hedge-Fonds bereits eingebürgert haben. Kenner der Szene verweisen auf etwa sechs Händler, die in New York für derartig hoch spekulative Fonds Kunstwerke kaufen.

Wem genau aber vertraut der Anteilseigner des Kunstfonds bei Art Estate sein Geld an? Die Art Estate AG ist eine hundertprozentige Tochter der EECH Group AG, ebenfalls in Hamburg ansässig und in Frankfurt an der Börse notiert. Sie investiert unter anderem in Windenergie und Immobilien. Die Art Estate AG, so Bernd Salomon, operiere auf mehreren Ebenen: Einmal sei da der Fonds für ein breites Publikum, dann der Einzelhandel mit drei Galerien namens Vonderbank in Berlin, Hamburg und Frankfurt, und der Großhandel in Kooperation mit internationalen Galerien. Die Verflechtungen und Besitzverhältnisse sind nur schwer durchschaubar

(Zitat Ende)

Es schreibt die FINANCIAL TIMES (D) am 03-11-2006:


Die unseriösen Anbieter dieser Produkte "fühlen sich in Sicherheit", weil die als Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen oder auch Genussscheine eingesammelten Gelder des Publikums nach dem Kreditwesengesetz (KWG) nicht unter den Begriff des Einlagengeschäftes und somit nicht unter die Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) fallen.

So warnt das DIAS davor, dass unseriöse Vertriebsmitarbeiter Unternehmensanleihen als private Altersvorsorge anpreisen. Anleger sollten davon bessern die Finger lassen, da dieser Markt einfach nicht unter einer staatlichen Aufsicht stehe und es keine Einlagensicherung gebe.


Die EEHC ist nach der Studie eine Tochter des windkraftgebeutelten Börsenleichtgewichts P & T Technology. Nachdem das Windkraftgeschäft in Deutschland eingebrochen ist und P & T einen Verlust machte, kam die EECH vor einem Jahr mit einer 30 Mio. Euro schweren "Euro Anleihe Solar" auf den Markt. Allerdings wiesen Wirtschaftsprüfer darauf hin, dass für das Geschäftsjahr 2003 nach externer Bilanzprüfung Nachweise über ein Guthaben in der Türkei in Höhe von rund 280.000 Euro "nicht geführt werden".

Der Unternehmenschef der EECH heißt Tarik Ersin Yoleri. Dieser hat bereits eine Vergangenheit im Handel mit überteuerten vermieteten Eigentumswohnungen. Er verkaufte als Subunternehmer der "Appel Grundvermögen" im Osten und in Berlin Steuersparimmobilien. Anfang 2001 musste "Appel" mit einem riesigen Schuldenberg Insolvenz anmelden. Seitdem ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des "Verdachts auf Insolvenzverschleppung und Untreue".

Auch die Kunstanleihen sind fragwürdig. Die "ArtEstate" soll nach Angaben der EECH-Group ca. 500 Werke von Top-30-Künstlern besitzen. Die Kunstwerke habe der EECH-Chef und Hauptaktionär Tarik Ersin Yoleri in den vergangenen Jahren zusammengekauft. Schuldner der Kunst-Anleihe ist die EECH-Group. Die EECH-Group weist in der Konzernbilanz Vermögenswerte von mehr als 90 Mio. Euro aus. Ein entsprechendes Eigenkapital sucht man in der Bilanz jedoch vergeblich. Lediglich die Konzernmutter EECH AG weist in der Bilanz ein bescheidenes Eigenkapital von gerade einmal 4,8 Mio. Euro aus.


via

Immer mehr Leserreporter

Täglich erinnern Blogs und Foto-Communities die klassischen Medien daran, dass sie kein so richtiges Monopol mehr auf Nachrichtenvermittlung haben. Kein Wunder, dass manche Verlage die schmerzhafte Erkenntnis in eine neue Strategie umzumünzen versuchen. Blogger meinen, dass auch die Redakteure umdenken müssten: Der Deutsche Journalistenverband verschließe mit seinem Protest gegen "Leser-Reporter" die Augen davor, "dass sich der Berufsstand Journalismus gerade in einem fundamentalen Umbruch befindet", kritisierte Roland Grün. "Die ,Berichterstattung aus dem Wohnzimmer' ist unweigerlich auf dem Vormarsch, ob nun mit oder ohne Zeitungen." Auch künftig seien Journalisten mit ihren Fähigkeiten gefragt - jedoch in einer Vermittler- oder Moderatorenrolle.

Privatsphäre war gestern, sagen die Kritiker, vor allem Anwälte von Prominenten und Journalisten. Sie haben recht. Doch sie heucheln.

Denn es macht sich inzwischen jeder das ganze Bild, überall und immerfort, vor allem im Internet, ob bei MySpace oder YouTube. Mit dem Handy ruft man nicht zuerst den Notarzt, die Feuerwehr oder die Polizei, sondern macht ein Foto und stellt es ins Netz. Schießen professionelle Fotografen ein Bild mit Prominenten und Masse, ist garantiert einer in Sicht, der gerade sein Handy hochhält, um zu knipsen. Seht her, ich bin dabei, ich bin mittendrin, ich bin ganz nah dran. Wer fotografiert, begeht nicht Selbstmord, hat der französische Soziologe Pierre Bourdieu einmal gesagt. Wer fotografiert, der hält sein Leben und den Augenblick fest, der verweilen soll. Und doch stellen uns die „Leserreporter“ nach - und entlarven uns zugleich als die Voyeure, die wir sind.

Sie sind da, bevor die Fotografen der Nachrichtenagenturen auftauchen. Sie zeigen Autos, die brennen, und nicht erst die Löscharbeiten der Feuerwehr. Das macht sie für den Journalismus so interessant, ja unentbehrlich. „Mit den Leserreportern überwinden wir Zeit und Raum“, sagt der „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann. Und weil das so ist, hat sein Blatt inzwischen etwa 1100 Bilder von Leserreportern gedruckt. Mehr als 249.000 Euro an Honoraren sind geflossen. Für jeden Schnappschuß gibt es zwischen hundert und fünfhundert Euro. Drei Klagen von Prominenten sind eingegangen, alle vom selben Anwalt. Ganze Seiten füllen die Leser-Bilder inzwischen, sie machen Nachrichten. Zwanzigtausend Bilder von Lesern hat die Redaktion gebunkert, täglich werden es tausend mehr; im Sommer waren es bis zu 2500. Nur die wenigsten zeigen Prominente in peinlichen Posen.

Doch nicht nur der Boulevard hat die Bedeutung der Leser als Fotografen entdeckt - von der „Bild“ in Hamburg bis zur „tz“ in München. Angefangen hat die „Saarbrücker Zeitung“ damit. Sie ist dem Vorbild des norwegischen Boulevardblatts „VG“ gefolgt, das mit Fotos vom Tsunami Aufsehen erregte. Der „Stern“ hat den Lesern mit „Augenzeugen.de“ ein Portal eingerichtet und festgestellt: „Gute Pressefotos werden immer öfter von Amateuren gemacht. Mit Kleinkameras oder Knips-Handys sind sie oft schneller als Profi-Fotografen.“ Nachrichtenwert sollten die Bilder haben, schreibt der „Stern“ zu seinem Portal und sagt: „keine Chance für Möchtegern-Paparazzi“. Doch was hat Nachrichtenwert? „Gesucht wird alles, was Chancen hat, veröffentlicht zu werden: Bilder von Naturereignissen etwa, von Prominenten, von Sportereignissen, Naturkatastrophen und Unfällen.“

Und so sieht das dann aus: tödlicher Verkehrsunfall auf der A7 zwischen Nörten-Hardenberg und Northeim-West (4. November, 4.55 Uhr), ein verkohlter Schuh neben einem Auto. In Göttingen muß sich ein junger Mann, dessen Gesicht nur halbherzig unkenntlich gemacht worden ist, einer Alkoholkontrolle stellen (4. September, 13 Uhr). Ein verwundeter Kfor-Soldat wird nach einem Minenunfall im Flugzeug nach Deutschland transportiert (keine Orts- und Zeitangabe). Angela Merkel und Wladimir Putin mit grimmiger Miene in Dresden beim Petersburger Dialog. Kardinal Lehmann gähnt in Mainz.

Bei augenzeuge.de können Leserreporter mit ihren Bildern noch mehr Geld verdienen als bei „Bild“. Die Profis stellen sie regelrecht ein. Die Aufnahmen werden von der Agentur Picture Press, die wie der „Stern“ zu Gruner + Jahr gehört, vermarktet. Ein Bild, das in die Zeitung kommt, bringt, je nach Auflage, 45 bis hundert Euro, landet es auf dem Titel einer Illustrierten mit Millionenauflage, steht ein Honorar von 820 Euro ins Haus.

Die Bilder von Lesern lohnen sich also, für beide Seiten, sie werden professionell eingebunden, was die journalistische Erregung über die Amateure als Heuchelei ausweist. Was die Leitartikler verdammen, kaufen die Fotochefs ein. Sogar beim Fernsehen werden die Bilder eingeworben. Während des Papst-Besuchs forderte das ZDF sein Publikum im Internet auf, dazu die schönsten Bilder einzusenden - ein solches wie von dem unbekannten „Bild“-Leser war freilich nicht dabei. Und bei dem Nachrichtensender CNN geht längst nichts mehr ohne die „Citizen Reporter“. Das war zuletzt bei den Bombenanschlägen auf die U-Bahn in Bombay zu sehen, als den ganzen Tag Videoeinspielungen von Zuschauern liefen; ein Laufband forderte auf, für Nachschub zu sorgen. Bei N24 gibt es die „Augenzeugen“ schon seit einem Jahr.

Damit wirklich niemand auf den Nachschub verzichten muß, hat sich eine Tochterfirma der Deutschen Presse-Agentur, die dpa-Infocom, die 2005 die Mobilplattform „Minds“ gestartet hat, welche inzwischen rund fünfzig Regionalzeitungen nutzen, etwas einfallen lasse: man kann Schnappschüsse vom Fotohandy als Bilddatei in die Redaktion senden. Big Brother is watching you.

Zum Fürchten sind die Leserreporter dennoch. Denn die Hemmschwelle, Menschen gerade in unpassendsten Gelegenheiten festzuhalten, sinkt erheblich, wenn Zeitungen einen anstacheln und es auch noch Geld dafür gibt, andere bloßzustellen. Nicht ohne Grund gibt es inzwischen Dienstanweisungen für Rettungssanitäter und Feuerwehrleute, doch bitte ihren Job zu tun und nicht erst an ein Foto zu denken. Doch vor allem dem gemeinen Blockwart von nebenan ergeben sich ganz neue Möglichkeiten: ein Polizist ohne Helm auf dem Moped, ein anderer mit Handy im Auto, ein Hundebesitzer, der seinen Vierbeiner mit dem Hochdruckreiniger duscht. Sie alle werden ertappt und, im engeren sozialen Kreis, erkannt und lächerlich gemacht. Nachrichtenwert haben solche Bilder nicht. In der Zeitung landen sie trotzdem. Dabei könnten sich die Abgebildeten wehren, denn verletzt wird, so sie zu erkennen sind, ihr Recht am eigenen Bild. Die Leserreporter jedoch haben in der Regel wenig zu befürchten, Redaktion und Verlag müssen für ihre Fotos genauso geradestehen wie für die der Berufsfotografen.

Doch ist auch anderen Leserreportern, die mit Lack und Leder oder Latex nichts am Hut haben, nach dem Bild unter Umständen nicht mehr so wohl. Der Chefredakteur der dpa, Wilm Herlyn, der sich einmal privat als „Bild“-Leserreporter betätigte, sagt, er würde es nicht wieder machen. Aus einer „Urlaubslaune“ heraus hatte er seinen Freund, Fernsehmoderator Heiner Bremer, badehosennackig am Strand fotografiert. Das fällige Honorar spendete Herlyn für einen guten Zweck. Professionell sagt er zu Leserreportern für seine Agentur ein klares „nein“.

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